Döblin

Döblin
Döblin,
 
Alfred, Schriftsteller, * Stettin 10. 8. 1878, ✝ Emmendingen 26. 6. 1957; stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie; studierte Medizin in Berlin und Freiburg im Breisgau und lebte seit 1912 als Facharzt für Nervenkrankheiten in Berlin. Seit Ende des Ersten Weltkriegs sympathisierte er mit der politischen Linken (Mitglied der USPD, 1921—30 der SPD). 1933 emigrierte Döblin zunächst nach Paris (1936 französische Staatsbürgerschaft); 1940 entkam er in dramatischer Flucht in die USA. Da Publikationsmöglichkeiten fehlten, war seine wirtschaftliche Lage dort schlecht; der Übertritt zum Katholizismus führte zur Isolation von den anderen Exilautoren. Deshalb kehrte er sofort nach Kriegsende als Berater in der Kulturabteilung der französischen Militärregierung nach Deutschland zurück; in ihrem Auftrag gab er 1946-51 die Literaturzeitschrift »Das goldene Tor« heraus. Die im Exil entstandenen Werke wurden nun veröffentlicht, fanden aber kaum ein Echo. Enttäuscht und schwer krank, zog er sich 1953 wieder nach Paris zurück, die letzten Lebensmonate verbrachte er in Sanatorien im Schwarzwald.
 
Obwohl seit 1910 Mitarbeiter der Zeitschrift »Der Sturm«, lässt sich Döblin weder dem Sturmkreis, noch einer anderen Stilrichtung der Zeit eindeutig zuordnen. Gegenstand seiner Romane ist die »entseelte Realität«. Er setzte alle modernen Erzähltechniken ein (z. B. Perspektivenwechsel, Simultantechnik, Stream of consciousness, Reportage, Montage) und entwickelte daraus eine Romanprosa von stilistischer Vielfalt und sprachlicher Originalität. »Berlin Alexanderplatz« (1929) verdankt seinen herausragenden Rang in der Literatur des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt dieser Vielfalt, die Zeitbezüge und alttestamentliche Allusionen gleichermaßen ermöglicht. Die »Geschichte vom Franz Biberkopf« (so der Untertitel des Romans) war Döblins erster großer Erfolg (Verfilmung 1931 mit H. George in der Titelrolle). Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erreichte Döblin zu seinen Lebzeiten erst wieder mit seinem letzten Roman, der Autobiographisches mit einem Heimkehrerschicksal verknüpft: »Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende« (1956).
 
Auch die anderen Romane Döblins lassen sich nur schwer inhaltlich definierten Romantypen zuordnen. Dem Entwicklungsroman (»Die drei Sprünge des Wang-lun«, 1915), dem historischen, auf umfangreichen Recherchen beruhenden Roman (»Wallenstein«, 2 Bände, 1920; die Südamerika-Trilogie »Land ohne Tod«, 1937-48), dem psychologisch-gesellschaftskritischen Roman (»Pardon wird nicht gegeben«, 1935) hat Döblin ebenso wie dem Großstadtroman eine Neudeutung und individuelle Ausprägung gegeben. Das Gesamtwerk umfasst außerdem literaturtheoretische Essays (»Der Bau des epischen Werkes«, 1929), Tageskritik, politische Glossen sowie eine Anzahl, seit der Konversion zunehmend theologisch orientierter, philosophischer Niederschriften, ohne dass sich Döblin auch hier auf ein Dogmenschema festlegt. Weitgehend unbekannt geblieben sind seine dramatischen Versuche, sein theoretisches wie praktisches Interesse an den neuen Ausdrucksmedien Rundfunk und Film.
 
Nach Döblin benannt ist der Alfred-Döblin-Preis.
 
Weitere Werke: Romane: Wodzeks Kampf mit der Dampfturbine (1918); Babylonische Wanderung oder Hochmut kommt vor dem Fall (1934); Pardon wird nicht gegeben (1935); Trilogie November 1918. Eine deutsche Revolution: Verratenes Volk (1948), Heimkehr der Fronttruppen (1949), Karl und Rosa (1950).
 
Novellen: Die Ermordung einer Butterblume (1913); Die Lobensteiner reisen nach Böhmen (1917); Heitere Magie (1948).
 
Epos: Manas (1927).
 
Essays: Deutscher Maskenball (1921); Reise in Polen (1926); Wissen und Verändern (1931); Das Ich über der Natur (1927, fortgesetzt in: Unser Dasein, 1933); Der unsterbliche Mensch (1946); Die Dichtung, ihre Natur und ihre Rolle (1950).
 
Autobiographisches: Im Buch - Zu Hause - Auf der Straße (1928, mit O. Loerke); Schicksalsreise (1949).
 
Ausgaben: Werkausgabe in Einzelbänden, herausgegeben von W. Muschg, fortgeführt von A. W. Riley, auf zahlreiche Bände berechnet (Neuausgabe 1987 folgende).
 
Ein Kerl muß eine Meinung haben. Berichte und Kritiken 1921-1924, herausgegeben von M. Beyer (Neuausgabe 1981).
 
 
L. Kreutzer: A. D. (1970);
 M. Weyembergh-Boussart: A. D. Seine Religiosität in Persönlichkeit u. Werk (1970);
 O. Keller: D.s Montageroman als Epos der Moderne (1980);
 R. Links: A. D. (Berlin-Ost 41984);
 E. Kobel: A. D. (1985);
 H. Kiesel: Literar. Trauerarbeit. Das Exil- u. Spätwerk A. D.s (1986);
 K. Müller-Salget: A. D. (21988);
 K. Schröter: A. D. (24.—26. Tsd. 1993).

Universal-Lexikon. 2012.

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